"...zur Umkehr gerufen..."

Warum sind Christen zur Umkehr gerufen? Wir sind zur Umkehr gerufen, weil christliche Theologie und Kirche sich als Wegbereiter und Täter schuldig machten am Mord an den Juden. Unter der Last dieser Schuld haben wir erneut auf das Wort Gottes zu hören und darauf, was Gott von uns will.

Umkehr bedeutet Richtungsänderung und Bewegung. Sie wird von außen ausgelöst, denn es heißt, zur Umkehr gerufen. Umkehr wird bewirkt durch einen Ruf, durch ein Wort, durch das Wort Gottes, bezeugt in der Schrift, also der Hebräischen Bibel und dem Neuen Testament: Gott rief sein Volk immer wieder zur Umkehr.

In der Hebräischen Bibel ergeht der Umkehrruf Gottes beispielsweise durch seine Propheten. So fordert Hosea das Volk Israel auf, sich abzuwenden von der politischen Macht während Jeremia verstärkt die Umkehr aus ganzem Herzen fordert. Bei Hesekiel liegt der Akzent auf dem Verhalten gegenüber dem Nächsten und auf der Abkehr von fremden Kulten. Aber in welche Situation auch immer die Propheten sprechen - sie rufen Israel zurück zu dem Gott der Wüstenzeit, dem Gott des Bundes.

Der Grund dieses Umkehrrufes liegt in dem Bund, den Gott mit seinem Volk Israel am Sinai schloss. Durch Jesus Christus sind wir in diesen Bund mit hineingenommen. Deshalb ergeht dieser Umkehrruf durch die Hebräische Bibel und das Neue Testament auch an uns.

Auch Jesus verweist uns auf unsere Verpflichtung, den Bund einzuhalten, indem wir wie Israel Gott lieben und ehren, seine Gebote halten und Gerechtigkeit üben sollen. In diesem Sinne antwortet Jesus auf die Frage eines Schriftgelehrten nach dem höchsten Gebot: "Das höchste Gebot ist das: 'Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.' Das andere ist dies: 'Du sollst deinen Nächsten lieben, er ist wie du.' Es ist kein anderes Gebot größer als diese." (Mk 12, 29-31). Mit beiden Geboten nennt Jesus die zentralen Weisungen des Judentums (Dtn 6, 5; Lev 19, 18).

Gottes Gebote werden von uns immer wieder übertreten, und in diese Situation hinein ergeht der Ruf nach Umkehr. "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium." (Mk 1,15)

Jesu Ruf zur Umkehr ist verbunden mit der Predigt vom Reich Gottes. Auch im Warten darauf bleibt dieser Ruf gültig. Wie das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15) zeigt, freut sich Gott an dem zurückkehrenden Sünder. Gott zeigt sich als treuer Gott, der an seinen Verheißungen festhält und den Sünder immer wieder einlädt, zu ihm zurückzukehren.

So finden wir in beiden Schriften, was es für uns Menschen heißt, den Bund zu erfüllen: Gott zu lieben und zu ehren, seine Gebote zu halten und den Nächsten zu lieben uns gleich. Zugleich ruft uns in beiden Schriften Gott zur Umkehr, wenn wir uns von ihm entfernt haben.

Umkehr heißt für uns, die von Gott gegebene Möglichkeit wahrzunehmen, Schuld einzusehen und anzunehmen. Wenn wir dies tun, finden wir die Kraft zum Bekenntnis, an Israel schuldig geworden zu sein.

Diese theologische Erläuterung der beiden Sätze, um die der Grundartikel der EKHN erweitert wurde, hat der heutige Evangelische Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau - ImDialog, 1991 veröffentlicht.
Wie hat sich seitdem die christlich-jüdische Verhältnisbestimmung entwickelt? Welche der in dieser Erklärung formulierten Erläuterungen wären heute eventuell anders zu formulieren?
Wir bitten Sie, uns Ihre Anregungen über ga25@imdialog.org mitzuteilen und haben vor, diese demnächst öffentlich zugänglich zu machen.

Startseite